Georgien hat drei Welterbestätten, die für die weltweite Anerkennung der georgischen Geschichte und seiner Kultur von großer Bedeutung sind. Um alle drei Stätten ranken sich jedoch intensive Konflikte zwischen staatlichen, religiösen und wirtschaftlichen Akteuren und der UNESCO. Seit 2010 war die Anerkennung der Klosteranlage Gelati nordöstlich von Kutaisi in Gefahr, weil die baulichen Veränderungen an der Bagrati-Kathedrale in Kutaisi nach Ansicht der UNESCO die Authentizität des Bauwerkes gefährdeten. Man einigte sich nach langen Verhandlungen im Jahr 2015 darauf, dass das Gelati-Kloster neu auf der Liste eingetragen, die Bagrati-Kathedrale aber von der für die Tourismusindustrie prestigeträchtigen Liste genommen wurde (vgl. UNESCO 2010, 2017).

Diese Entwicklungen um den Bagrati-Gelati-Komplex zeigen, auf welche Weise Welterbestätten politische Räume sind, in denen verschiedene Akteure um die Deutungshoheit über den Raum kämpfen.

Lesen Sie zu den Problemen um die Welterbestätte Chazhashi in der Dorfgemeinschaft Ushguli die Beiträge „Ushguli’s World Heritage in danger (Ushguli, village of Chazhashi, Georgia)“ und „Ushguli | Türme, Berge, Hammer & Sichel – Was gehört zum kulturellen Erbe der Dorfgemeinschaft Ushguli in Georgien?

Das entscheidende Kriterium für die Aufnahme des Gelati-Klosters auf die Weltkulturerbeliste war die harmonisch-symmetrische Gestaltung der Architektur der Klosteranlage. Dessen Bedeutung für den georgischen Kulturraum ist ebenso unstrittig wie die über Georgien hinausrechende Bedeutung der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Institution.

Zeichnungen des gesamten Klosterkomplexes in der Seitenansicht von Norden und Süden

Das 1106 im Westen Georgiens gegründete Kloster von Gelati ist ein Meisterwerk des Goldenen Zeitalters des mittelalterlichen Georgiens, einer Zeit der politischen Stärke und des wirtschaftlichen Wachstums zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert. Es zeichnet sich durch Fassaden aus glatt behauenen großen Blöcken, ausgewogene Proportionen und blinde Bögen für die Außengestaltung aus. Das Gelati-Kloster, eines der größten mittelalterlichen orthodoxen Klöster, war auch ein Zentrum der Wissenschaft und Bildung, und die Akademie, die es beherbergte, war eines der wichtigsten Kulturzentren im alten Georgien.

UNESCO (1994)

Das Mosaik aus dem 12. Jahrhundert in der Altarnische der Hauptkirche stellt die Muttergottes mit dem Kind dar; die Grundrisse zeigen die Hauptkirche und die St.-George-Kirche, die nördlichen Neubauten stammen aus dem 13. bis 14. Jahrhundert; weiter ist der Ausschnitt eines Evangelienbuchs aus dem 12. Jahrhundert zu sehen, der das Unterrichten an der Universität von Gelati zeigt

Der Bau wurde 1106 durch den georgischen König Davit IV. begonnen, sein Grab befindet sich im Südtor der Anlage. Davit IV. gilt als Begründer des mittelalterlichen „Goldenen Zeitalters“, weil es ihm gelungen war, Georgien als Königreich neu zu vereinen. Er verband erfolgreich kirchliche, staatliche und militärische Macht und stärkte so die Einheit des Königreiches. Damit war eine Aufwertung der kirchlichen Macht verbunden, weshalb Davit auch eine zentrale Identifikationsfigur für die georgisch-orthodoxe Kirche und viele gläubige Georgier ist.

In Gelati hat die UNESCO ebenso wie in Ushguli das natürliche Umfeld in die Bewertung mit einbezogen. Damit sind zwangsläufig Abstimmungen über die weitere Nutzung sowohl des als Welterbe ausgezeichneten baulichen Ensembles als auch der Umgebung verbunden.

Der gesamte Klosterbereich gehört zum Gelände und enthält alle Hauptgebäude aus dem 12. Jahrhundert sowie die im 13. Es sind alle erforderlichen Merkmale, die diesen außergewöhnlichen universellen Wert zum Ausdruck bringen, vorhanden und auf diesem Gelände enthalten. Kein wichtiges ursprüngliches Merkmal des Klosters aus dem 12. und 13. Jahrhundert ist im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, und seine landschaftliche Umgebung ist weitgehend intakt geblieben. Nicht alle Gebäude befinden sich in einem guten Erhaltungszustand.

UNESCO (2017)

Dadurch dass die Klosteranlage sowohl von Touristen besucht, als auch von Mönchen bewohnt wird, ergeben sich dadurch Nutzungskonflikte. Zudem befinden sich um die Anlage herum Grundstücke, deren Eigentum nicht völlig geklärt ist. Genau genommen ist das kirchliche Eigentum daran umstritten. Mit einbezogen in die sogenannte Puffer-Zone ist das über dem Tskaltsitela-Fluss gelegenen Kloster Motsameta. In diesem Zusammenhang ist ein von der regierende Partei Georgiens vorangetriebenes Gesetz von Bedeutung, die der Kirche grundsätzlich, Kirchen umgebenden unbebaute Waldflächen als Eigentum zuschreiben soll (vgl. OC Media 2020).

Motsameta-Kloster, oberhalb des Tskaltsitela-Flusses gelegen

Der Managementplan 2017-2021 berücksichtigt die Beiträge der Kirche sowie der relevanten Regierungsstellen und Gemeinschaftsgruppen, die am Beratungsprozess beteiligt waren. Er zielt darauf ab, eine gemeinsame Vision für das Anwesen zu entwickeln. Der Plan wurde in Übereinstimmung mit dem Masterplan für den Naturschutz, mit der Entwicklungsstrategie für den Tourismus in Imeretien und mit dem Managementplan 2014 für die Imereti-Schutzgebiete entwickelt, der das Tal und die Schlucht des Tskaltsitela-Flusses in der Pufferzone einschließt. Er muss noch genehmigt werden, um von den zuständigen Behörden voll in Kraft gesetzt und durchgesetzt werden zu können. Außerdem muss noch ein Verwaltungsausschuss für das Gebiet ernannt werden, und es ist notwendig, dass Schlüsselrollen und Verantwortlichkeiten festgelegt werden.

UNESCO (2017)

Grundsätzlich tritt die orthodoxe Kirche als bewahrende Kraft auf gegenüber alten kirchlichen Bauten. Allerdings machen deren Führer unumstößlich deutlich, dass es sich hierbei um kirchliches kulturelles Erbe handelt und das letztlich die Kirche entscheiden wird, wie damit umgegangen wird. Bislang konnte sie sich dabei des Rückhalts in der georgischen Gesellschaft versichern, weil es ihr gelungen ist, sich in Bezug auf die georgische Identität als staatstragend zu inszenieren. Die orthodoxe Weltsicht ist immer noch dominanter Bestandteil des georgischen Nationalismus. Aber der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet im Zuge zahlreicher Skandale und eines für viele Georgier nicht nachvollziehbaren Verhaltens während der Covid-19-Pandemie (vgl. OC Media 2020, Dustin Gilbreath & OC Media 2020).

Literatur

Stadelbauer, J. (2018): Schützen oder nutzen? Konflikte über das Bauerbe in Georgien. In: Osteuropa 68 (7), 47–77.

OC Media (2020). Georgian parliament paves the way for swathes of forestland to be handed to Orthodox Church. OC Media, 22 May 2020.  https://oc-media.org/georgian-parliament-paves-the-way-for-swathes-of-forestland-to-be-handed-to-orthodox-church/

OC Media (2020). Georgians avoided church over Easter and disapproved of communal spoon, survey finds. OC Media, 23 July 2020.  https://oc-media.org/georgians-avoided-church-over-easter-and-disapproved-of-communal-spoon-survey-finds/

Dustin Gilbreath & OC Media (2020): Analysis | Church scandals have hurt trust in the Georgian Orthodox Church. OC Media 3 August 2020. https://oc-media.org/features/analysis-church-scandals-have-hurt-trust-in-the-georgian-orthodox-church/

UNESCO (ed.) (1994): World heritage list – Gelati Monastery. https://whc.unesco.org/en/list/710/

UNESCO (ed.) (2010): World Heritage Committee inscribes Bagrati Cathedral and Gelati Monastery (Georgia) on List of World Heritage in Danger. https://whc.unesco.org/en/news/637/

UNESCO (ed.) (2017): Gelati Monastery, Georgia, removed from UNESCO’s List of World Heritage in Danger. https://whc.unesco.org/en/news/1692/